Wie erkenne ich soziale Verhaltensauffälligkeiten ? Erkennen, Einordnen, Handeln

Fachlich geprüft von Baran Erdik, Dr. med., mag. rer. publ. und Dora Matis, Dr. med.
Aktualisiert 13. Oktober 2025 von BetterHelp Redaktionsteam
Der folgende Artikel könnte Themen behandeln, die mit traumatischen Erfahrungen in Zusammenhang stehen und für den Leser auslösend sein könnten, einschließlich Suizid, Drogenmissbrauch oder Missbrauch.
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Fragst du dich, wie du eine Störung des Sozialverhaltens erkennst und was das überhaupt bedeutet? Grundsätzlich lässt sich alles als sozial auffälliges Verhalten betrachten, was sich von der Norm unterscheidet. Was ist die Norm überhaupt? Das ist eine gute Frage und mit Sicherheit ein Spektrum. Genau deswegen ist es auch wirklich schwierig, etwas als “Störung” des Sozialverhaltens zu erkennen. Aber immer, wenn sich jemand anders verhält als vielleicht gesellschaftlich erwartet, das selbst jedoch gar nicht nachvollziehen kann, lohnt es sich genauer hinzusehen: Was steckt dahinter?  In diesem Beitrag erfährst du mehr darüber, wie solche Herausforderungen eingeordnet, erkannt und verbessert werden können.

Eine ältere Frau blickt nachdenklich durch das Fenster nach draußen.
Getty/fizkes
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Definition von gestörtem Sozialverhalten

Es gibt verschiedene Verhaltensweisen, die in bestimmten Situationen herausfordernd wirken können, wie zum Beispiel wiederholte Trotzreaktionen, auffällige Regelverletzungen oder ein mangelndes Einfühlungsvermögen. Um diese Verhaltensweisen richtig einordnen und verstehen zu können, ist es hilfreich, die Unterschiede zwischen solchen Mustern zu erkennen. Oft können Fachpersonen aus der Psychiatrie oder Psychologie dabei helfen, herauszufinden, ob und welche weiteren Schritte sinnvoll sind, um die Situation zu klären und mögliche Unterstützung zu bieten. Einige solcher Krankheitsbilder sind:

Oppositionelles Trotzverhalten (ODD): Charakterisiert durch anhaltendes, trotziges, streitsüchtiges oder feindseliges Verhalten, ohne schwerwiegende Verletzung der Rechte anderer.

Störung des Sozialverhaltens (CD): Beinhaltet ernsthafte Verletzungen sozialer Normen oder der Rechte anderer, z. B. Aggression, Vandalismus oder Diebstahl.

Antisoziale Persönlichkeitsstörung (ASP): Kann nur bei Personen ab 18 Jahren diagnostiziert werden und setzt das Vorliegen einer CD in der Kindheit voraus

Beispiele von auffälligem oder grenzüberschreitendem Verhalten

  1. Aggressive Verhaltensweisen: Dazu gehören Mobbing, das Anzetteln von Schlägereien, Tierquälerei oder verbale/körperliche Aggression.

  2. Sozialer Rückzug: Extreme Vermeidung von sozialer Interaktion bis zu dem Punkt, an dem sie das tägliche „Funktionieren“ beeinträchtigt, z. B. die Weigerung, das Haus zu verlassen oder mit der Familie oder Gleichaltrigen zu interagieren.

  3. Schwierigkeiten bei der Befolgung sozialer Normen: Wiederholte Missachtung gesellschaftlicher Regeln oder Erwartungen, z. B. unangemessenes Verhalten in der Öffentlichkeit, Mangel an Empathie oder Missachtung persönlicher Grenzen.

  4. Betrug und Diebstahl: Lügen, Stehlen, Ladendiebstahl oder Einbruch in Eigentum.

  5. Manipulative oder ausbeuterische Interaktionen: Täuschung, Zwang oder Manipulation in Beziehungen, um persönliche Vorteile zu erzielen, ohne Rücksicht auf das Wohlergehen anderer.

  6. Unfähigkeit, sich an soziale Kontexte anzupassen: Schwierigkeiten bei der Anpassung des Verhaltens an verschiedene Umgebungen, z. B. störendes Verhalten in formellen oder strukturierten Umgebungen.

  7. Beeinträchtigungen in der Kommunikation: Schwierigkeiten, verbale und nonverbale Kommunikation zu verstehen oder angemessen einzusetzen, was zu Missverständnissen oder Konflikten führt.

  8. Exzessive Abhängigkeit oder Beherrschung: Entweder verlassen sie sich zu sehr auf andere, um emotionale oder soziale Unterstützung zu erhalten, oder sie üben Kontrolle über andere aus, um ein Gefühl der Sicherheit zu erhalten.

  9. Regelverstöße: Schulschwänzen, Weglaufen von zu Hause, Verstöße gegen die Ausgangssperre.

  10. Zerstörung von Eigentum: Vandalismus oder vorsätzliche Beschädigung, wie z. B. Brandstiftung.

So wird eine Störung des Sozialverhaltens festgestellt

Störungen des Sozialverhaltens können sich bereits in der Kindheit entwickeln und entstehen selten erst im Erwachsenenalter. Im Kindergartenalter sind zum Beispiel zwischen 20 und 25 % aller Kinder sozial auffällig. Bei circa 5 % dieser Kinder ist eine psychologische Behandlung notwendig.

Wenn Kinder oder Jugendliche trotzige Verhaltensweisen, Aggressionen oder Regelverstöße zeigen, kann dies manchmal als „Phase“ abgetan werden. Anhaltend störendes Verhalten, das das soziale, schulische oder familiäre Leben eines Kindes beeinträchtigt, kann jedoch auf eine Verhaltensstörung hindeuten. Das Verständnis dieser Verhaltensweisen, ihrer Ursachen und wirksamer Interventionen kann Eltern, Erziehenden und Betreuenden helfen, die richtige Unterstützung zu leisten.

Was sind die Ursachen für Verhaltensstörungen?

Solche Schwierigkeiten im sozialen Miteinander können auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, darunter psychische Erkrankungen, Entwicklungsstörungen, Traumata oder Umwelteinflüsse. Um diese Verhaltensweisen zu erkennen und zu behandeln, ist es in der Regel erforderlich, die Ursachen zu verstehen und geeignete Maßnahmen oder Unterstützung anzubieten.

Biologische Risikofaktoren

  • Familiäre Vorgeschichte: Eine Veranlagung für psychische Erkrankungen wie ADHS, affektive Erkrankungen oder Drogenmissbrauch.

  • Gehirnfunktion: Unterschiede in der Impulskontrolle und Emotionsregulierung.

  • Genetik: Bestimmte vererbte Merkmale können die Anfälligkeit erhöhen.

Ein Mann sitzt im Schneidersitz auf einem Stuhl und tippt auf seinem Laptop.
Getty/DedMityay

Umweltbedingte Risikofaktoren

  • Elterliche Herausforderungen: Vernachlässigung, inkonsequente Disziplin, elterliche Konflikte oder Missbrauch.

  • Einfluss von Gleichaltrigen: Umgang mit straffälligen Freund:innen, Bandenmitgliedschaft.

  • Gemeinschaftliche Faktoren: Aufwachsen in einer instabilen oder gewalttätigen Umgebung.

Psychologische Faktoren

  • Temperament: Ein Kind, das mit Frustrationstoleranz oder Empathie zu kämpfen hat, ist möglicherweise einem höheren Risiko ausgesetzt.

  • Frühe Verhaltensauffälligkeiten wie Impulsivität und mangelnde Emotionsregulation erhöhen das Risiko für Störungen des Sozialverhaltens. Diese Faktoren können in Kombination mit Umwelteinflüssen und genetischen Prädispositionen das Auftreten von auffälligem oder grenzüberschreitendem Verhalten fördern.

Wie kann auffälliges Sozialverhalten richtig eingeordnet werden?

Wenn sich jemand über längere Zeit hinweg auffällig verhält – zum Beispiel wiederholt in Konflikte gerät, stark gegen Regeln verstößt oder kaum Rücksicht auf andere nimmt – kann das belastend für die Person selbst und ihr Umfeld sein. In solchen Fällen ist es hilfreich, sich an eine psychologische oder psychiatrische Fachperson zu wenden, um die Hintergründe besser zu verstehen und passende Unterstützungsmöglichkeiten zu besprechen.

Zur Orientierung: In der Fachwelt wird auffälliges Sozialverhalten mit verschiedenen Methoden betrachtet – nicht, um zu bewerten, sondern um individuelle Muster und mögliche Einflussfaktoren zu erkennen.

Verhaltensbeobachtung

Eine Fachkraft bewertet das Verhalten des Kindes (oder Erwachsenen) in verschiedenen Situationen und sucht nach anhaltenden Mustern von Aggression, Betrug oder Regelverstößen.

Entwicklungsgeschichte

Eltern und Bezugspersonen machen Angaben über das frühere Verhalten des Kindes, die Familiendynamik und die Lebensumstände, um Faktoren zum heutigen Verhalten zu ermitteln.

Interviews und Fragebögen

Standardisierte Instrumente und strukturierte Interviews helfen bei der Beurteilung des emotionalen Zustands, des Verhaltens und den sozialen Interaktionen des Kindes. Eltern, Lehrende und das Kind können daran beteiligt sein.

Entwicklungsgeschichte

Eltern und Bezugspersonen machen Angaben über das frühere Verhalten des Kindes, die Familiendynamik und die Lebensumstände, um Faktoren zum heutigen Verhalten zu ermitteln.

Interviews und Fragebögen

Standardisierte Instrumente und strukturierte Interviews helfen bei der Beurteilung des emotionalen Zustands, des Verhaltens und den sozialen Interaktionen des Kindes. Eltern, Lehrende und das Kind können daran beteiligt sein.

Ausschluss anderer Ursachen: Auch körperliche oder psychische

Belastungen wie Ängste, chronischer Stress, Erschöpfung oder Konzentrationsprobleme können das Verhalten beeinflussen – daher werden diese ebenfalls berücksichtigt. Die Verhaltensauffälligkeit kann im Rahmen anderer Erkrankungen ebenfalls auftreten, somit ist eine fachkundige Bewertung unentbehrlich und idR. durch einen ärztlichen Besuch empfehlenswert. 

Was sind die Unterstützungsmethoden bei auffälligem Sozialverhalten? 

Verhaltensstörungen können zwar schwierig sein, aber ein frühzeitiges Eingreifen verbessert die Ergebnisse erheblich. Die Behandlung umfasst häufig eine Kombination von Therapien, die auf die Bedürfnisse der betroffenen Person zugeschnitten sind.

Professionelle Begleitung als hilfreiche Unterstützung

  • Methoden, die helfen, Denk- und Verhaltensmuster zu erkennen und gezielt zu verändern: es ist wichtig, mögliche negative Denkmuster zu erkennen und zu bewältigen und die Problemlösungsfähigkeit zu verbessern.

  • Eltern-Management-Training: Vermittelt den Eltern Techniken für den Umgang mit schwierigen Verhaltensweisen und für eine konsequente Disziplinierung.

Systemische Familienberatung

Die Verbesserung der Kommunikation und die Auseinandersetzung mit der Familiendynamik können dazu beitragen, die zugrunde liegenden Probleme zu lösen, die zum Verhalten des Kindes beitragen.

Training sozialer Fertigkeiten

Wenn Kinder lernen, positiv mit Gleichaltrigen und Autoritätspersonen umzugehen, werden störende Verhaltensweisen reduziert und bessere Beziehungen gefördert.

Unterstützung in der Schule

Spezielle Bildungspläne, Beratungsdienste und Schulungen für Lehrende können für Struktur und Unterstützung im schulischen Umfeld sorgen.

Warum frühzeitige Intervention wichtig ist

Bleiben bestimmte Verhaltensmuster über längere Zeit bestehen und werden nicht reflektiert oder begleitet, kann das langfristig zu Herausforderungen im sozialen Miteinander führen –wie z. B. kriminellem Verhalten, Drogenmissbrauch und Schwierigkeiten bei der Pflege von Beziehungen. Frühzeitiges Erkennen und Eingreifen verbessert nicht nur die Lebensqualität des Kindes, sondern stärkt auch die Beziehungen in der Familie und der Gemeinschaft.

Scheue dich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen 

Das Erkennen von Verhaltensweisen die eindeutig abweichend sind, ist der erste Schritt, um Betroffenen die notwendige Unterstützung zu geben. Wenn du anhaltende Muster von aggressivem, trotzigem oder destruktivem Verhalten bei deinem Kind oder dir selbst feststellst, brauchst du nicht zu zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn du die Ursachen verstehst und gemeinsam mit einem Experten oder einer Expertin einen Plan aufstellst, kannst du deinem Kind oder auch dir selbst einen Grundstein für eine Zukunft mit weniger Beschwerden legen.

Eine Frau nutzt ihren Laptop, während sie auf der Couch neben ihrem Hund sitzt.
Getty/FluxFactory
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Fazit

Störungen des Sozialverhaltens umfassen wiederholte Verstöße gegen gesellschaftliche Normen, Regeln oder die Rechte anderer. Im Gegensatz zu gelegentlichen Ausbrüchen oder Aufmüpfigkeit sind diese Verhaltensweisen anhaltend und schwerwiegend. Verschiedene Methoden können dabei helfen, besser mit diesen Gefühlen umzugehen. Es kann auch helfen, mit einem Experten oder einer Expertin zu sprechen.

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